Die Zeitungen und Magazine der letzten 18 Monate sind überzogen von populärwissenschaftlichen Texten zu den Themen maschinelles Lernen, Big Data, Roboter, Supercomputer usw., dabei werden oftmals unnötige Ängste geschürt. Beispielhaft ist die Zunahme des Suchbegriffes "Internet of Things" bei Google:

Quelle: Google Trends

Besonders die Überhöhung der künstlichen Intelligenz (KI) als quasi übermenschliches Wesen führt bei den Menschen zu ökonomischen Existenzängsten. Übrigens benutze ich den Begriff KI ungern. Grundsätzlich halte ich den Computer für dumm, der glücklicherweise nach wie vor nach programmierten Algorithmen funktioniert.

Überhöhte populärwissenschaftliche Texte

Mich erinnert diese mediale Präsenz der "digitalen Evolution" an die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende. Auch damals schätzte die Berichterstattung den Zeithorizont des Fortschrittes falsch ein. Die angekündigten technologischen Errungenschaften konnten sich später mehrheitlich etablieren, jedoch benötigte dies rund ein Jahrzehnt und nicht nur 2 bis 3 Jahre. Bei jetzigem Hype werden zusätzlich die Potenziale einiger Technologien völlig überspitzt dargestellt.

Exemplarisch erwähne ich folgenden Artikel von Marco Metzler, NZZ vom 3.01.2016: "Uns braucht es bald nur noch als Konsumenten". In diesem Beitrag hat es einige oberflächliche Aussagen über die Fähigkeiten der KI:

  • Google Translate wurde mit vielsprachigen Texten gefüttert und hat sich Übersetzen selbst beigebracht. Für das Verständnis der meisten Texte reicht das völlig. Übersetzer erhalten nur noch die anspruchsvollen Aufträge.
  • Früher ersetzten Maschinen Muskelkraft, heute geistige Fähigkeiten. Neuerdings beherrschen Computer nicht mehr nur repetitive, einfache Tätigkeiten, sondern immer komplexere. Sie erkennen Muster besser als Menschen.

Ich weiss nicht, ob der Herr Metzler wenig Realitätsbezug zur Informatik hat oder ob er einfach im Medienhype mitschreibt. Wie gut bzw. schlecht Google Translate übersetzt, können Sie selbst nachprüfen. Schon bei der Übersetzung von einfachen Texten braucht es oftmals eine anstrengende kreative Improvisation, um darin eine Information zu erkennen. Es ist eine unbedachte Aussage, dass der Computer den Menschen bei der Mustererkennung übertrifft. Scheinbar hat Marco Metzler wenig Ahnung, für was der Begriff Mustererkennung alles steht.

Hardware und Software gleich digitaler Fortschritt

Oft wird in den Medien die Gesetzmässigkeit der verdoppelten Leistung der Computer zitiert. Vor circa 50 Jahren veröffentlichte Gordon Moore einen Aufsatz mit der Aussage der jährlichen Verdoppelung der Rechenleistung. Später korrigierte er diese Annahme und sprach von einer Verdoppelung alle zwei Jahre. Daraus leiten gewisse Medien und Buchautoren ein grundsätzlich exponentielles Wachstum des digitalen Fortschritts ab. Dabei scheinen sie zu vergessen, dass die Software von Menschen geschrieben wird und dieser sein Potenzial nur geringfügig steigern kann. Das Wort "Exponentiell" sollte bedacht eingesetzt werden, andernfalls verführt dies zu fragwürdigen Aussagen. Im Folgenden spricht der WEF-Gründer Klaus Schwab von exponentiellen Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse; was immer er damit meint:

Quelle: SRF, WEF - «Da kommt ein Tsunami auf uns zu»

Sicherlich beflügeln schnellere Rechner das maschinelle Lernen, was die Bewältigung von komplexeren Aufgaben ermöglicht. Oft bestehen Systeme nebst integrierten Schaltungen auch aus Hardware, die nicht dem exponentiellen Wachstum unterliegt. Trotzdem, erst die zunehmende Miniaturisierung und Leistungssteigerung der integrierten Schaltkreise ermöglicht die heutigen automatisieren Systeme, die auf ihre Umwelt reagieren können.

Quelle: SRF ECO Spezial vom 9.11.2015 - Wenn Roboter Menschen ersetzen

Das überschätzte selbstfahrende Fahrzeug

Die Berichterstattung über selbstfahrende Autos war im letzten Jahr sehr unkritisch. Insbesondere überzogene Erwartung an das Google-Auto. In gewissen Berichterstattungen wird tatsächlich behauptet, dass Roboterautos bereits sicherer sind als herkömmliche PWs. In der Realität wäre ein Google-Auto im indischen Berufsverkehr nach einigen Metern auf der Strasse völlig überfordert. In manchen Ländern organisieren sich die Verkehrsteilnehmer mit Blickkontakt und mehr oder weniger freundlichen Gesten. Die Bewältigung vieler solcher alltäglicher Verkehrssituationen ist technisch ungelöst. Selbstfahrende Fahrzeuge müssen beispielsweise mit den anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren können, sei dies von Fahrzeug zu Fahrzeug oder mit dem Fussgänger. Autonome Autos orientieren sich mit unterschiedlichen Sensoren, bei starkem Regen oder unter Schneeverhältnissen funktioniert ein Teil dieser Systeme nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt.

Eine erweiterte Strasseninfrastruktur, die mit den vernetzten autonomen Fahrzeugen kommuniziert, kann möglicherweise die vom Menschen erwartete hohe Sicherheit erbringen. Daher müssten die Regierungen bzw. privaten Strasseneigentümer und die unterschiedlichen Fahrzeughersteller dringend zusammenarbeiten, sonst wird nichts aus diesem Traum. Zudem wird die höchste Sicherheit im Strassenverkehr erst erreicht, wenn alle Fahrzeuge vom Computer gesteuert werden. Dieses gesellschaftliche Problem könnte sich als die grösste Hürde für den Erfolg des autonomen Fahrzeuges erweisen.

Fazit

Die Berichterstattung über die digitale Evolution in den Zeitungen und Magazinen ist momentan oberflächlich und völlig überhöht. Zu oft wird das mooresche Gesetz im Zusammenhang mit dem digitalen Fortschritt verallgemeinert. Dies führt zu einer übertriebenen Erwartungshaltung. Kaum eine andere Technologie jenseits der integrierten Schaltkreise wird über mehrere Jahrzehnte einen solchen exponentiellen Fortschritt erzielen. Trotz Fortschritten beim maschinellen Lernen bewegt sich die Befähigung für die Bewältigung komplexer Probleme sehr langsam.

Die maschinelle Übersetzung der von Menschen geschriebenen Sprache zeigt die Grenzen des maschinellen Lernens. Der Computer bzw. dessen Algorithmus versteht den Inhalt einer Sprache nicht und scheitert öfters an der Mehrdeutigkeit der Wörter. Die Übersetzungsqualität kann sicherlich noch gesteigert werden, jedoch bleiben die letzten paar Prozente zu einer hundertprozentigen korrekten Übersetzung mit der digitalen Technologie aus meiner Sicht unüberwindbar. Dieses nicht Hundertprozentige bzw. der überlegene Mensch werden wir vermehrt beobachten können, wo sich Maschinen an komplexen Problemen versuchen. Zu dieser Kategorie gehört auch das selbstfahrende Auto. Bedauerlicherweise gibt es noch immer Forscher wie Dileep George die das Gehirn mit einer Maschine gleichsetzen und es für reproduzierbar halten.

Quelle: SRF Trend vom 23.01.2016 - WEF 2016: Die 4. industrielle Revolution: Fluch oder Segen?

Dieser Herr hat ein Startup-Unternehmen gegründet, möglicherweise erleichtert diese Aussage in Kalifornien die Investorensuche.

Wahrscheinlich ist die Übertreibung teilweise der aktuell hohen Börsenkapitalisierung einiger US-Technologiefirmen wie Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet usw. geschuldet. Die Übertreibungen an den Aktienmärkten untermauern solche überzogene Technologiestorys und beruhigen die Anleger. Allenfalls lässt es sich auch mit schüren von Ängsten um Arbeitsplatzverlust oder dem Wettbewerb Mensch gegen Maschine erklären. Somit kann kostengünstig die Auflage bzw. Klickrate von Büchern, Zeitungen und Onlinemedien erhöht werden.