Beim Beginn meiner Softwareentwickler Berufskarriere vor mehr als 25 Jahren arbeitete ich meistens in Einzel- bis Dreimannbüros. Ab der Jahrtausendwende wurde ich des Öfteren mit einem Arbeitsplatz in einem Grossraumbüro konfrontiert. Glücklicherweise war ich bisher vom engen Arbeitsraum verschont.

Meine wahrgenommene Belastung durch Lärmemissionen ist im Grossbüroraum erheblich grösser als beispielsweise in einem Teambüro (3-6 Arbeitsplätze). Zudem verzeichnete ich eine Zunahme der Arbeitsunterbrechungen.

Die meisten von uns kennen den "Flow-Zustand". Wir sind in einem ruhigen Zustand, die Aufnahmefähigkeit und Konzentration ist sehr hoch, das Zeitgefühl hat uns verlassen. In dieser meditativen Versunkenheit geht uns die Tätigkeit locker von der Hand und die meisten Problemstellungen lösen sich fast wie von selbst. Das Erreichen dieses Zustandes dauert circa 15 Minuten, eine störungsanfällige Arbeitsumgebung behindert dies erheblich. Zudem kann plötzlich auftretender Lärm oder eine persönliche Störung diesen Flow abrupt abbrechen lassen.

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung wird offensichtlich von Flächenkosten in Franken pro Arbeitsplatz dominiert. Unberücksichtigt bleiben dabei die indirekten Kosten der negativen Umgebungsbedingungen die sich in der Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsleistung manifestieren.

Nebst den Hintergrundgeräuschen gibt es in Grossraumbüros noch viele andere Störfaktoren wie beispielsweise die Einstellung der Belüftungsanlage oder die unterschiedlich wahrgenommene Sonneneinstrahlung auf Bildschirme usw. Dies und die längerfristige negative Auswirkung von Lärm auf die Gesundheit ist nicht Thema dieses Beitrages.

Kosteneinsparung durch Raumeinsparung

Es wurde kein Nachweis erbracht, dass die Grossraumbüros die Produktivität der Mitarbeiter positiv beeinflussen. Im Gegenteil, es gibt keinen Beweis, dass die Effektivität nicht negativ tangiert wird. Auch die Nutzung eines positiv assoziierten Wortes wie "offen" oder der Wortkreationen "Kommunikationswelten" machen die Umgebungsbedingungen in Grossraumbüros nicht besser, letztendlich geht es um Kosteneinsparungen:


Quelle: SRF Eco vom 4.02.2013 - Leere Büroflächen an Toplagen

Eine Kommunikationswelt im Grossraumbüro existiert nicht. In der Softwareentwicklung dominiert die Kommunikation innerhalb eines Teams, welche verständlicherweise als wenig störend wahrgenommen wird. Die Mitarbeiter von unterschiedlichen Teams in einem Grossraumbüro kennen sich kaum und kommunizieren daher wenig untereinander.

Wahrscheinlich verleugnet die Mehrzahl der Manager, dass viele Mitarbeiter ihr Gehirn für die Arbeit nutzen und der Lärm die Konzentrationsfähigkeit stark reduziert. Es ist natürlich vergleichsweise viel leichter die Kosten pro Kubikmeter der Arbeitsumgebung zu optimieren, als die negative Auswirkung von Lärmemissionen auf die Produktivität der Mitarbeiter zu messen.

Die Arbeitsplatzkosten betragen im Allgemeinen zwischen 6 und 16 Prozent. Das heisst jedem Franken, der das Büro und Ausstattung kostet, müssen circa 15 Franken direkt an den Mitarbeiter bezahlt werden. Mit der Berücksichtigung der Sozialkosten kann sich dies auf 20 Franken erhöhen. Ein smarter Manager würde kaum die Effektivität seiner Mitarbeiter mit Kosteneinsparungen am Arbeitsplatz riskieren.

Weniger Platz und Privatsphäre aber mehr Lärm

Der Lärm ist direkt proportional zu Mitarbeiterdichte. Wenn die Fläche pro Mitarbeiter halbiert wird, so verdoppelt sich der Lärm. Beispielsweise ist der Lärmemissionen bei einer 2.5 m2 grossen Arbeitsfläche pro Mitarbeiter mehr als dreimal so gross wie bei 9 m2.

Künstliche Beschallung ist Symptombekämpfung

Es darf bezweifelt werden, dass montierte Rauschgeneratoren bei der Bekämpfung der Lärmsituation die richtige Lösung ist. Natürlich können damit Belästigungsreaktionen auf Kosten eines ansteigenden Schallpegels reduziert werden.

Grossraumbüros von Softwareentwickler sind oftmals erkennbar an der Vielzahl der Mitarbeiter mit Kopfhörer:


Quelle: SRF vom 24.04.2013 - Lärm ist auch Einstellungssache

Häufig habe ich den Kampf mit Musik aus dem Ohrhörer gegen den Lärm mit wenig Überzeugung auch praktiziert. Jedenfalls zuhause reduziere ich jegliche Lärmquelle für das konzentrierte Arbeiten, dazu zählt auch die Musik. Ferner ist eine geringe Geräuschkulisse meiner Computerhardware ein wichtiges Kaufkriterium.

Einige Aufgaben der täglichen Softwareentwicklung sind Routine und lassen sich im "Autopiloten-Modus" erledigen. Dabei wirkt die Musik allgemein wenig störend auf die Gehirnleistung. Anderseits ist in der Softwareentwicklung des Öfteren auch die ungeteilte Konzentration auf eine Aufgabe unumgänglich. Dabei könnte sich die Musik bei der Konkurrenz um Aufmerksamkeit unseres Bewusstsein negativ auswirken. Wer während der Programmierung sein Gehirn dauernd mit Musik beschallt riskiert einen Teil seines Leistungspotential.

Fazit

Leider beschränkt sich die Mehrzahl der Firmen bei der Büroplanung auf die Optimierung, die vielen Arbeitsplätze auf eine vorgegebene Bürofläche möglichst geschickt zu verteilen. Es ist eine Selbstlüge, wenn die Firma glaubt, die lauten Arbeitsplätze hätten keinen negativen Einfluss auf den Arbeitsprozess. Zudem ist es eine Geringschätzung der denkintensiven Mitarbeiter durch das Management, wenn sich dieses damit begnügt, eine Büroumgebung nicht als ihr Problem zu anerkennen. Eine Überprüfung der Korrelation zwischen der Effektivität der Entwickler und der Qualität des Arbeitsplatzes könnte den Manager neue Optimierungsziele aufzeigen. Je anspruchsvoller eine geistige Arbeitsaufgabe ist, desto offensichtlicher wird die Leistungsfähigkeit von einer verbesserten Raumakustik positiv beeinflusst. Weg von weniger Platz und mehr Lärm zu ruhigen Arbeitsräumen.

Buchempfehlung : Peopleware, Productive Projects and Teams

Viele Anregungen und die Daten zu diesem Beitrag habe ich dem Buch "Wien wartet auf Dich!" von Peopleware entnommen. Der deutsche Buchtitel ist ziemlich verwirrend, umso besser ist aber der Inhalt dieser dritten Auflage, welche in der englischen Originalfassung 2013 aktualisiert wurde. Ich empfehle diese Lektüre jedem, der in Softwareprojekten engagiert ist.